„Mr. Meteor“ Heinz Boock verstorben – Ein Nachruf von Frank Toebs.
Im
eigenen Haushalt ging es für den überzeugten Einzelkämpfer seit Monaten
nur noch unter sehr schwierigen Bedingungen. Wie bei vielen Älteren, er
war im 90. Lebensjahr, stand der Wunsch bis zum seligen Ende in den
eigenen Zimmern verbleiben zu können, an erster Stelle. Nun hat am 2.
November der „Mr. Meteor“, Heinz Boock, im Krankenhaus für immer seine
Augen geschlossen.
Ein passender Abschied
Es scheint
fast, als hätte er diesen Tag und die Stunde so exakt geplant, wie
früher die taktische Einstellung der Teams. Sein Sohn Güray Sen, hatte
an diesem ersten Freitag im November nämlich Geburtstag. Das, was nun
als Geschenk gedeutet werden kann, ist es wohl auch gewesen, denn eine
Rückkehr vom Krankenbett nach Hause war für Boock, der kurz vor dem
Verlust der Unterschenkel stand, ausgeschlossen.
Ein Urgestein des Berliner Fußballs
Seit
1959 war Heinz Boock ununterbrochen Mitglied beim jetzigen
Bezirksligisten BFC Meteor 06. Selten ist er in letzter Zeit noch zum
Platz an der Ungarnstraße im Wedding gefahren worden. Dann hatte der
A-Lizenz Inhaber mit gewohntem Understatement die Spiele verfolgt. So
wie früher als Meteor kurz in der (West-) Berliner Regionalliga
mitmischte, konnte es nie mehr werden. Das wusste er, hielt sich aber
als Abonnent der Fußball-Woche stets auf dem Laufenden. Auch die aktuell
gute Tabellenposition der ersten Mannschaft genoss er still mit. Außer
Fußball galt seine zweite Zuneigung schon früh den Opern Giuseppe
Verdis. Hier soll er nachweislich die zweitgrößte europäische Sammlung
von Ton-und Videoaufnahmen der verschiedenen Verdi-Aufführungen der
letzten Jahrzehnte besessen haben.
Mit 15 zur Wehrmacht
Zwei
Themen waren es, bei denen man Heinz Boock meist die Deutungshoheit
überlassen musste. An erster Stelle natürlich bei allem
Fußballgeschehen. An zweiter Position bei der „Jammerei“ der Neuzeit. Er
war noch 1945 als 15-Jähriger regulär in die Wehrmacht eingezogen
worden. Unter unglaublichen Umständen wurde er vor Schlimmerem bewahrt.
„Das ist alles überhaupt nicht zu vergleichen“, stellte er manchmal
zornig fest, wenn es um die scheinbare Armut in unserem Land ging. Er
wusste, wovon er sprach, hatte er doch auch im Berlin der 60er-Jahre
noch ein „Zillemilieu“ erlebt, und bei seiner Arbeit für das Bezirksamt
schlimme Zustände in immer noch ruinösen Bauten protokolliert.
Gelassenheit als Lebensmotto
Über
seine Beschäftigung beim Bezirksamt Wedding fand er auch zu dem Klub,
für den er bekannt werden sollte. Sein Vorgesetzer war ebenso der 1.
Vorsitzende Meteors. Über gute Jugendausbildung brauchte man Boock hier
nichts mehr beizubringen. Er hatte mit dem ASV aus Tiergarten/Moabit
schon Ende der 50er-Jahre große Erfolge gehabt. In einer Zeit, in der
nur Tennis Borussia die bessere Jugendabteilung gehabt haben soll,
scheiterte seine damalige ASV-Knabenmannschaft (heute D-Jugend) in der
Meisterschaft durch LOSENTSCHEID zweimal an Hertha 03. Er nahm es, wie
er mir einmal berichtete, gelassen. Im Tor bei den Zehlendorfern stand
Volkmar Groß, der spätere Bundesligaspieler von Hertha BSC. In seiner
ASV-Mannschaft spielten Wolfgang Sühnholz, der zum Bayern-Profi werden
sollte, und auch Dieter Schollbach. Dieser wurde Teil der deutschen
Jugend-Nationalmannschaft, hatte auch wenige Bundeligaeinsätze, bevor er
nach Berlin zurückkehrte.
Die kontrollierten Gefühle blieben auch
Boocks Credo bis zum Abschied als Trainer 2014. Schiedsrichterschelte in
der Öffentlichkeit? Nicht bei Boock. Große Aufregung, weil ein Torwart,
der schon seine Verlängerung zugesagt hatte, plötzlich treulos den
Verein wechselte? Nicht bei Boock. Verärgerung darüber, dass seine
größte Entdeckung, Thomas Häßler, sich nicht mehr meldete? Nicht bei
Boock. Unvergessen dagegen blieb ihm sein überraschendes Zusammentreffen
mit Häßler im Aktuellen Sportstudio des ZDF.
Kurzfilm Mr. Meteor geht
„Ruhm
ist eben vergänglich“, stelle er einmal fest. Das war 2015, als der
Kurzfilm „Mr. Meteor geht“ (über das Ende seiner aktiven Zeit im Verein)
beim 11mm-Fußballfilmfestival gezeigt wurde. „Wer von den Jüngeren
kennt Thomas Häßler, den Weltmeister von 1990, denn überhaupt noch“,
fragte er damals. Überhaupt der Gewinn der Weltmeisterschaft 1990? Das
sei alles fast „so lange her wie 1954“, stellte er achselzuckend fest.
Heinz Boock, Fachmann in der Jugendarbeit
Bei
all seiner Aufmerksamkeit für die Vergangenheit, war Boock aber kein
Fußballgreis mit wackelndem Kopf. Wie andere Kenner sagte er das frühe
Scheitern der Nationalmannschaft 2018 voraus. In seiner Bibliothek und
in eigenen Aufzeichnungen konnte sich bis vor kurzem jeder ein Bild
davon machen, wie modern seine Ansichten von der Entwicklung und dem
aktuellen Stand des Fußballs waren. Über allem stand für diesen
Meistertrainer, der nur einmal mit Meteors C-Junioren Berliner Meister
wurde, die technische Ausbildung der Spieler. Er hasste es, wenn die
Kleinsten Runden drehen mussten. „Die Kinder sollten doch hier nicht zum
Leichtathletiktraining, sondern Spaß an den Fortschritten mit dem Ball
haben“, sagte er einmal einem Übungsleiter ohne Ausbildung.
In einer
Zeit, in der noch nicht von individualtaktischer Schulung gesprochen
wurde, legte Boock schon großen Wert auf Freistoßtraining und besondere
Spieleröffnungen. Er sah im Spiel, das er für eine Wissenschaft hielt,
immer auf die Feinheiten und damit auf die unnötigen Fehler, die hoch
eingeschätzten Spielern-selbst in der Bundesliga-seiner Ansicht nach
nicht unterlaufen sollten.
Vermächtnis nur unvollendet
Das
eigentliche Geschenk an die Nachwelt, sein Vermächtnis, hat der
Fußballfachmann leider nicht mehr fertig bekommen. Die exakten
Aufzeichnungen, Hinweise und Zeichnungen, aber auch die aus dem Kicker
und der Zeitschrift des Bundes Deutscher Fußballlehrer entnommenen
Abschnitte ruhen bis zur Auflösung nun allein in seiner Wohnung. Es
sollte demnächst einmal alles zusammengefasst werden. Schade. Es hätte
ein Standardwerk werden können.
Ruhe in Frieden Heinz.